In der Leere ist das Licht - Zur Malerei von Brigitte Dümling


Robert Klümpen, 2015
Katalogbeitrag zur Ausstellung Kunstverein Schweinfurt (Seite 25 - 29)

Alle Malerei hat ihren Anfang im Sehen und in der Erfahrung von Wirklichkeit, steht in Beziehung zum Erleben. Diese Wirklichkeit kann auch die Kunst selbst oder Musik sein. Beim Betrachten der Bilder von Brigitte Dümling kommt man immer wieder auf Musik: auf Töne, Klang und Komposition.

Leere ist wichtig. In der Musik sind das die Pausen. Hier wie dort lassen diese erst die Töne sich entfalten. In diesen Leer-Stellen erkennt man das Zusammenspiel von Gefühl und Denken in der Malerei von Brigitte Dümling: Die Bilder wirken unmittelbar auf den Betrachter emotional-expressiv, sind eigentlich jedoch eher nüchtern, sind ganz von außen, vom Blick, aus Seherfahrung geleitet, sind ganz malerisches Vorgehen.

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Farbklänge aus natürlicher Landschaft und Licht bestim- men hier die Farbpalette, nicht etwa eine innere Landschaft oder Leidenschaft. Diese Farb-Töne werden zu Klängen, Akkorden, Motiven komponiert, einer Notierung gleich, die sich beim Klavierspiel entwickelt, also mit Abfolge, Zeit und Bewegung zu tun hat. Die einzelnen Bilder stellt Brigitte Dümling in ihren Raumkompositionen - oder um es etwas profaner zu sagen: Hängungen - zu Takten und Melodien, zu einer Art Kammer-Musik zusammen.


Raum ist für Brigitte Dümling in mehrfacher Hinsicht wichtig: Zum einen stellt sie in einem (Ausstellungs-) Raum und im Verhältnis zu diesem ihre Bilder zusammen und zueinander in Relation. Das ergibt dann einen speziellen Raumklang.
Zum anderen klingen die Farben im jeweiligen Bildraum und stehen mit diesem auf sehr unterschiedliche Weise in Beziehung, wobei sie in einer Art Leere schweben.
Der Bildgrund wird aufgehoben, wird Teil der Malerei – sowohl das Grundierweiß bei den Bildern auf Nessel, als auch das silbrige Reflektieren der Titan-Zink-Platten, auf denen die Farben sehr nachdrücklich platziert sind und doch sich bezugsfrei, außer untereinander, befinden, und die sich, sobald man sich davor bewegt, verändern.


Raum spielt aber auch beim Vorgang des Malens bei Brigitte Dümling eine starke Rolle: Wir sehen auf den Bildern die Spuren der malerischen Bewegung und somit auch visualisierte Zeit. Die Malerin bestimmt mit ihrem Körper den Bild-Raum. Sie bewegt sich mit tänzerischer Leich- tigkeit und Spannung zugleich über dem auf dem Boden liegenden Bildträger und definiert dadurch dessen Maß. In den Pinselbewegungen ist ihr Körper ganz präsent, und sie verdichtet die Farbe gelegentlich zu körperlicher Kom- paktheit.

Brigitte Dümlings Bilder verbinden deren eigene Körper- lichkeit mit einem körperlosen Schweben: Die farblichen Setzungen auf den Bildkörpern befinden sich sozusagen in einem grundfreien Bildraum.
Es ist tatsächlich wie im Tanz: Die Tänzer sind an die Schwerkraft gebunden und vermögen sie dennoch zu überwinden.

Dass die Bilder aber überhaupt ein Gewicht haben, hängt stark mit der »umgekehrten Komposition« der Bilder zusammen: das farbige Gewicht kommt meist von oben oder ist an den Rand platziert.
Schwerelosigkeit, der Wunsch zu fliegen waren für Brigitte Dümling in ihrer Kindheit Anlaß für das intensive Turnen auf dem Schwebebalken.

Nun bewegt sie sich eher wandernd. Und wer kennt nicht die Erfahrung der inneren Leichtigkeit während man sich
durch die Natur bewegt, über Berge oder im Wind, und man die Kraft spürt, die von dieser Natur ausgeht. Solche Eindrücke bedingen diese Bilder. So kann sie zum Beispiel gewisse Arbeiten gar nicht im Winter malen, denn das Licht wirkt unmittelbar auf die Malerei.
Allerdings malt Brigitte Dümling kein Licht, das heißt sie stellt keines dar; sie malt vielmehr mit Licht. Dafür sind fein nuancierte Farbmischungen wichtig. Sie verwendet kaum Reinfarben und selbst Grau- und Schwarztöne sind gemischt, wodurch auch diese »Unfarben« eine farbige Richtung erhalten.


Neben der Vielfalt der Farbnuancen beherrscht die Malerin eine große Variabilität in ihrer Pinselführung: Es sind nicht immer breite Pinselzüge, die wir sehen, sondern auch Linien, Flecken, Strichlein, Punkte. Auch der Farbauftrag variiert, oft sogar innerhalb eines Strichs: Er beginnt satt und zerfasert dann oder löst sich in Verflüssigung auf. Jede malerische Handlung, das heißt Farbmischung, Auftrag, Breite des Pinselzugs und dessen Richtung und Geschwindigkeit wird aufgenommen und führt zu Reaktionen der Malerin, so lange, bis das Bild »fertig« ist. Dann kommt das nächste. Ihre Vorgehensweise entspricht eher einem meist sprudelnden, allerdings auch schon mal versiegen- den Fluß, denn einem Brunnen, an dem sie immer wieder ihren Bilderfundus auffüllen müsste.

Und doch wirken diese Bilder trotz allem Sinnen und Prüfen während ihres Entstehens am Ende ausgesprochen leicht, schwungvoll und luftig. Diese Malerei ist dem Wind vergleichbar, oft gar stürmisch oder zumindest böig.
Der Bildraum ist für Brigitte Dümling also ein Reflexraum, in dem die Farben in permanent flexibler Beziehung zueinander stehen. Sie bezeichnet diese Bezughaftigkeit als eine Art Grundtenor ihrer Arbeit.
Für diesen Bild-Raum ist die eingangs erwähnte Leere unabdingbar, sie erst läßt den Gesamteindruck zu.


Die Bilder dieser Malerin stehen zwischen abstrakter und abstrahierender Malerei: Sie sind assoziativ. Zwar wird die Malerei aus Landschaft und Licht gespeist, aber diese Aspekte sind eben nicht dargestellt, auch wenn der Betrachter diese Motive oft zu erkennen meint.
Diese Bilder stehen im Bezug zum Körper, zum Blick, zu Erfahrung, sie entstehen daraus und sind selbst eben immer eine neue Erfahrung – und ebenfalls Körper.
Die Malerei von Brigitte Dümling hat sich vom Gesehenen emanzipiert, aber mit dem Sehen ist sie untrennbar verbunden.

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