".....Mit der Sensibilität eines wunderbar beseelten Instruments....."

„Con mortal lingua“
Dr. Walter J. Hofmann 2001
Katalogtext "Brigitte Dümling, Bilder" Wienand Verlag Köln, 2001 (Seite 7 - 9)

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Für die Kunst Brigitte Dümlings gilt, was vor über vierhundert Jahren Cesare Ripa von der Schönheit sagte: „non è cosa, della quale più difficilmente si possa parlare con mortal lingua“. Denn ihre Bilder kommen aus einer anderen Welt, aus der sie nur mit sehr feinen Organen die übliche Welt berühren. Sie sind Sendboten einer Schau, die ihr Licht ins Wahrnehmbare herüberfließen lässt. Ihr Ort ist jenseitig. Dort, im Unfassbaren, webt jene Phantasie, die als Bild sich ausgestaltet. Ihr Glück ist das Geheimnis, das Ungreifbare und Wundersame sind ihre Natur. Schwerelos und von höchster Empfindlichkeit schweben Erscheinungen herbei, die sich zeigen und sich doch nicht deuten lassen. Ihre Sichtbarkeit ist der Schleier, der das Unsichtbare umhüllt. Was die Kunst aber aus dieser Welt dem Auge zukehrt, trägt den Ausdruck des Unwiederbringlichen. Schwermut und ein sanfter Ernst folgen deshalb ihrer Betrachtung.
Brigitte Dümlings Grundbegabung ist eine seltene Verbindung zwischen dem Zeichnerischen und dem Poetischen. Mit der Sensibilität eines wunderbar beseelten Instruments zeichnet der Ausschlag ihres Strichs alles auf, was der Wahrnehmung sich fast schon entzieht, und jeder Strich wird Teil eines anschaulichen Gedichts. Die Zeichnung ist die Heimat des Lyrischen im Bild:  das beweist Brigitte Dümling.  Ahnung, Gespür, der unmerkliche Hauch, Nachklang des Gewesenen und Verschwundenen - solche Lyrismen oszillieren in spinnwebzarter Lineatur über den reinen Spiegel ihrer Zeichnungen.
Zur Malerin wurde Brigitte Dümling, als sie den Ausdruck ihres Zeichnens in den Ausdruck der Farbe zu transferieren verstand. Was ihr Strich über etwas aussprach, das übersetzt sie jetzt in Farbe. Das Hintergründige, das die Zeichnung nur anzudeuten vermag, wird zum Gehalt ihrer Malerei. Oft ist ein flutender hinterer Grund, durch den farbige Eruptionen wehen, das einzige Subjekt dieser Bilder. Farbe ist da eine dynamische Manifestation des Lichts, die durch ein ebenso dynamisch bewegtes Dunkel drängt. Atmosphärisches, Landschaftliches, Erinnerungen ans Interieur – thematische Anlässe, die diese Malerei begleiten – sind nur die vordergründigen Phänomene einer Anschauung, die im Dahinter ihre eigentliche Wirklichkeit bekundet. Darin gründen die Antinomien, die alles Farbige durchwirken, und die bei Brigitte Dümling geradezu in anfänglicher Unschuld aufschimmern. Die erblickte Farbe verschwimmt in ungestillter Beweglichkeit und wird zur Resultante nie erblickter Farbigkeiten. Gleichwie der gezeichnete Strich etwas festlegt, worauf er doch nur hinzuweisen vermag, ist bei Brigitte Dümling jede farbige Äußerung ein Hinweis auf das, was in der Farbe sich verbirgt.
Eine solche Kunst ist auratisch. Luzide und transparent, in lichten Skalen, die sich lösen und finden, auseinander hervorgehen und einander überblenden, schwingen nie gesehene Farb-wesen durch Fläche und Raum. Eine Entkörperlichung vollzieht sich, die etwas Strahlendes hat, und die dieser Malerei etwas Imaginäres, Überwirkliches und Spärenhaftes verleiht. Außerfarbige Qualitäten sind dabei der Farbanschauung äquivalent, und da die Farbe besonders mit dem kommuniziert, was in ihr Licht ist, bildet sich der Eindruck einer unaufhörlichen, unerschöpflichen Schau. Ihrer wird jeder teilhaftig, der Brigitte Dümlings Kunst begegnet.
Text aus dem Buch:  „ Brigitte Dümling. Bilder“, Wienand Verlag Köln, 2001 (gefördert durch die West-Hyp-Stiftung, Dortmund). Dr. Walter J. Hofmann (Prof. der Kunstgeschichte Kunstakademie Düsseldorf)

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