„… - mit der Präzision und Entschiedenheit des Augenblicks, ganz wie die Musik.“

„Bilder zur Musik“ von Brigitte Dümling
Alexander Schaumann (Maler)
Katalogbeitrag zur Ausstellung Kunstverein Schweinfurt (Seite 14 - 15)
Malerei und Musik - schon am Beginn des 20.Jahrhunderts bildete die Musik einen wichtigen Bezugspunkt für die Malerei. Damals interessierte ihr „ ungegenständlicher“  Charakter.  Allein aus den ihr eigenen Qualitäten :  ihren Tonfolgen, ihrem Rhythmus und ihren Harmonien gewinnt sie ihre Motive.  In einer Zeit, in der die Maler die Qualitäten ihrer eigenen Kunstgattung entdeckten und zu ihrer Grundlage zu machen versuchten, mußte die Frage entstehen, ob die Musik für das sich damals auftuende Feld der ungegenständlichen Malerei eine Orientierung abgeben könne.

Wenn sich einhundert Jahre später eine Malerin für zeitgenössische Musik interessiert, stehen andere Qualitäten im Vordergrund. Es sind Qualitäten, die sich dem unmittelbaren Hören erschließen: ihre Kürze und Treffsicherheit, die Offenheit ihrer Form und immer wieder die Stille. Aus dem Lauschen heraus scheint die Musik Gestalt anzunehmen, um sich in äußerst spezifischen Klängen zu konkretisieren: Klarinette und Kontrabaß, Baßtuba und Elektronik oder ein Paukensolo.  In der Spannung zwischen der Weite eines geöffneten Raumes und dem Erzittern des Materials, aus dem die Instrumente gebaut sind, bewegt sich die Musik.

Brigitte Dümlings musikalisches Interesse hat ihre Malerei verändert. Die Anklänge an Landschaft sind abgestreift. Das Bild wächst nicht mehr aus einem tragenden Grund. Die Bildelemente scheinen vielmehr zu schweben. Mit neuer Reduziertheit und Energie setzen sie ein und bilden Rhythmen und Verwirbelungen. Dabei erreicht der Farbauftrag eine enorme Breite der Variation. Vom fetten Strich über die weiche Lasur bis zu farbigen Strähnen. Nicht die Buntfarben  beherrschen das Bild, sondern gebrochene, zuweilen innerhalb eines Strichs dissonant ineinander gezogene Mischtöne. Mit diesen Strichen gelingt Brigitte Dümling eine materielle Verdichtung, die den musikalischen Vortrag, die Klangfarbe und den Ansatz der Instrumente spüren läßt. Hier liegt der  für sie inspirierende Moment: aus der Prägnanz des musikalischen Vortrags eine adäquate malerische Prägnanz zu gewinnen.

Den Gegenpol zu dieser Verdichtung bildet der offengelassene Grund, der weit über die Grenzen des Bildes hinausreicht. Er scheint eine unendliche Sphäre zu bilden, die das Bild hinterfängt. Wenn die malerischen Elemente innerhalb des Bildes ihre Stelle suchen, so scheinen sie diese in das Bild hereinzurufen – mit der Präzision und Entschiedenheit des Augenblicks, ganz wie die Musik.

Alexander Schaumann (Maler), 2002, Text zum Projekt "Musik und Bild"

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